Veranstaltung: | RCDS |
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Antragsteller*in: | RCDS-Bundesvorstand & BFA Internationales (dort beschlossen am: 26.04.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.04.2025, 11:02 |
A6: Brain-Gain statt Brain-Drain – Talente aus den USA gezielt für Europa gewinnen
Antragstext
Die Gruppenvorsitzendenkonferenz möge beschließen:
Die Europäische Kommission, der Europäische Rat, die Bundesregierung, die
Hochschulministerkonferenz (HMK) und die Landesregierungen müssen gemeinsam
Maßnahmen ergreifen, um hochqualifizierte Fachkräfte und Forschende aus den USA
für Deutschland und Europa zu gewinnen. Konkret fordern wir:
- Ein gemeinsames EU-Förderprogramm zur gezielten Anwerbung und
Unterstützung von Talenten und Forschenden aus den USA.
- Deutschland als Wissenschaftsstandort stärken: Die Bundesregierung muss
gezielt Anreize schaffen, um internationale Top-Talente für deutsche
Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu gewinnen.
- Regionale Programme ausbauen: Die Länder sollten eigene Förderprogramme
auflegen und finanzielle Mittel bereitstellen, um den Zuzug
internationaler Wissenschaftler zu erleichtern.
- Bessere europäische Koordinierung: Die Bundesregierung soll sich in
Absprache mit der HKM für eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb Europas
einsetzen, um Fachkräfte strategisch und langfristig zu binden.
Begründung
Begründung:
Deutschland und Europa müssen im globalen Wettbewerb um Talente aufholen!
Während China massiv in Forschung investiert und die USA politisch zunehmend
unsicherer für Wissenschaftler werden, haben wir jetzt die Chance, kluge Köpfe
für Europa zu gewinnen.
Bereits unter der ersten Trump-Administration wurde die Wissenschaft
systematisch geschwächt. Behörden wie die Environmental Protection Agency (EPA)
wurden mit Klimawandelskeptikern besetzt, Forschungsgelder für Umwelt- und
Gesundheitsprojekte gekürzt und wissenschaftliche Daten gelöscht. Das National
Institute of Food and Agriculture und der Economic Research Service wurden aus
Washington, D.C. in abgelegene Gebiete verlegt, was zu massiven
Personalverlusten führte. Insgesamt verzeichnete die Datenbank Silencing Science
Tracker 346 wissenschaftsfeindliche Maßnahmen, darunter Sprechverbote,
Budgetkürzungen und die Zensur von Forschungsergebnissen.
Trump trieb zudem die internationale Isolation der US-Forschung voran, etwa
durch den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen und den Abbau der
Zusammenarbeit mit China, was sich besonders in der Biomedizin zeigte.
Universitäten gerieten stärker unter politischen Druck, während Geldgeber und
Regierungsmaßnahmen die Wissenschaftsfreiheit einschränkten. Mit dem "Project
2025" plant die Heritage Foundation, diesen Kurs in einer zweiten Amtszeit
fortzusetzen, etwa durch eine Schwächung des nationalen Wetterdienstes und eine
stärkere Kontrolle wissenschaftlicher Behörden. Die Folgen wären eine weitere
Politisierung der Wissenschaft, ein Verlust von Forschern und eine globale
Schwächung der Innovationskraft.[1]
Nun sind erste Anzeichen der Umsetzung erkennbar, und diese Entwicklungen haben
zur Abwanderung hochqualifizierter Wissenschaftler und Fachkräfte aus den USA
geführt. Ein Beispiel für den wachsenden Brain-Drain ist die Entscheidung von
drei renommierten Professoren der Yale University, die USA zu verlassen und
künftig in Kanada zu lehren.[2] In Reaktion darauf werben europäische Länder
aktiv um amerikanische Talente. So bietet die Universität Aix-Marseille 15
amerikanischen Wissenschaftlern aus den Bereichen Klima, Gesundheit und
Astrophysik "wissenschaftliches Asyl" an.[3] Auch die Max-Planck-Gesellschaft in
Deutschland meldet einen deutlichen Anstieg an Bewerbungen aus den USA und plant
eine gezielte Anwerbestrategie für Spitzenforscher.
Eine von der Europäischen Kommission geförderte Studie hebt hervor, dass
insbesondere das Angebot an wissenschaftlicher Ausrüstung und Technologie
entscheidend für die Mobilität von Forschern ist – und damit eine zentrale
Ursache des Brain-Drains darstellt. Dies unterstreicht die Bedeutung von
Investitionen in Forschungsinfrastrukturen, um Talente in Europa zu halten oder
anzuziehen.[4] Darüber hinaus zeigt eine Analyse der Helmholtz-Gemeinschaft,
dass die ungleiche Verteilung von Bildungschancen und Forschungsinvestitionen
innerhalb Europas den Brain-Drain zusätzlich verstärkt.[5] Eine koordinierte
europäische Strategie ist daher unerlässlich, um diese Disparitäten zu
reduzieren und die Abwanderung von Talenten zu verhindern.
Fraglich ist jedoch, ob nationale Einzelmaßnahmen ausreichen. Die Europäische
Union sollte als Ganzes eine koordinierte Strategie zur Talentbindung und -
gewinnung entwickeln. Deutschland kann als größte Volkswirtschaft Europas eine
Schlüsselrolle übernehmen und gemeinsam mit der Europäischen Kommission sowie
anderen Mitgliedstaaten ein umfassendes Förderprogramm initiieren. Dieses sollte
nationale und regionale Programme integrieren und europaweit einheitliche
Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation schaffen.
Ein solcher Ansatz würde nicht nur die europäische Zusammenarbeit stärken,
sondern auch die EU als globalen Innovationsraum etablieren. Deutschland selbst
würde davon direkt profitieren, indem es seine Attraktivität für internationale
Fachkräfte erhöht und seine Wettbewerbsfähigkeit im Wissenschaftssektor
verbessert.
Deutschland hat im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte an
Attraktivität verloren. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fiel
Deutschland im Zeitraum von 2019 bis 2023 im Ranking von Platz 12 auf Platz 15
zurück. Länder wie Neuseeland, Schweden, die Schweiz, Australien und Norwegen
sind für Fachkräfte zunehmend attraktiver geworden.[6]
Parallel dazu wächst Chinas Forschungssektor rasant. Die chinesische Regierung
setzt verstärkt auf wissenschaftliche Innovationen und plant bis 2050 eine
führende Rolle in der Weltraumforschung. Anfang März 2025 kündigte China zudem
an, die Förderung von Künstlicher Intelligenz auszuweiten – mit Fokus auf
Biomanufacturing, Quantentechnologie, 6G und intelligente Fertigungssysteme.
Diese Entwicklungen unterstreichen, dass China zunehmend zur globalen Konkurrenz
wird und Europa entsprechend reagieren muss.
Ein europäisches Förderprogramm, das gezielt Forschende aus den USA anspricht,
könnte die EU als globalen Innovationsraum weiter stärken. Deutschland würde in
einem solchen Rahmen von einer starken europäischen Wissenschaftslandschaft
profitieren und seine Position im internationalen Wettbewerb verbessern.[7]Die
Max-Planck-Gesellschaft spricht sich bereits für eine strategische Förderung aus
und betont die Chancen, die sich aus der Schwächung des US-Forschungssystems
ergeben.[8]
Europa sollte jedoch nicht nur als Alternative zu den USA auftreten, sondern
sich als eigenständiger globaler Wissenschaftsstandort positionieren. Dafür
braucht es eine koordinierte Strategie, verbesserte Forschungsbedingungen,
gezielte Förderprogramme und eine stärkere Vernetzung innerhalb der EU. Nur
durch ein geschlossenes Auftreten kann Europa Talente anziehen, seine
Innovationskraft steigern und sich langfristig gegen globale Wettbewerber
behaupten.
[1]MaxPlanckForschung 3/2024: Über Leben. (n.d.).
https://www.mpg.de/23519177/MPF_2024_3 . ; Roger Severino & Gene Hamilton.
(n.d.). Mandate for leadership: the conservative promise. In THE GENERAL WELFARE
(pp. 283–285).
[2] Freeman, D. (2025, March 28). 3 Ivy League scholars plan to leave US and
teach in Canada amid Trump administration’s higher education battle. CNN.
https://edition.cnn.com/2025/03/28/us/yale-university-scholars-toronto-
trump/index.html . ; Pontius, J. (2025, March 29). Universität Yale: Historiker
und Faschismusforscher verlassen die USA. ZEIT ONLINE.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-03/yale-usa-kanada-timothy-snyder-
marci-shore-jason-stanley .
[3] Hurst, A. (2025, March 24). A French university is offering ‘scientific
asylum’ for US talent. The brain drain has started. The Guardian.
https://www.theguardian.com/commentisfree/2025/mar/24/french-university-
scientific-asylum-american-talent-brain-drain .
[4]Brain Drain: Gefahr für den Europäischen Forschungsraum? (n.d.). Helmholtz-
Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/brain-drain-gefahr-fuer-den-
europaeischen-forschungsraum/ .
[5]Brain Drain: Gefahr für den Europäischen Forschungsraum? (n.d.). Helmholtz-
Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/brain-drain-gefahr-fuer-den-
europaeischen-forschungsraum/ .
[6]Studie - Deutschland fällt zurück im internationalen Wettbewerb um Top-
Talente. (2023, December 4). https://www.bertelsmann-
stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2023/maerz/deutschland-faellt-zurueck-
im-internationalen-wettbewerb-um-top-talente . ; tagesschau.de. (2023, April
25). Deutschland im Wettbewerb um Fachkräfte abgerutscht. tagesschau.de.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/deutschland-fachkraefte-ansehen-
zureckgefallen-101.html .
[7] Wald, C. (2025, March 26). Wissenschaftler aus den USA: Die besten
Wissenschaftler zu uns! ZEIT ONLINE.
https://www.zeit.de/2025/13/wissenschaftler-usa-forschung-deutschland-donald-
trump .
[8]MaxPlanckForschung 3/2024: Über Leben. (n.d.).
https://www.mpg.de/23519177/MPF_2024_3 .