Veranstaltung: | RCDS |
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Antragsteller*in: | RCDS-Bundesvorstand & Politischer Beirat (dort beschlossen am: 26.04.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.04.2025, 10:49 |
H1: Anstieg psychischer Erkrankungen bei Studenten beenden und Etablierung flächendeckender Hochschulischer Gesundheitsmanagements (HGM)
Antragstext
Die Gruppenvorsitzendenkonferenz möge beschließen:
Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) fordert
- die Hochschulministerkonferenz (HMK) auf, auf die Umsetzung
flächendeckender Hochschulischer Gesundheitsmanagements an deutschen
Hochschulen hinzuwirken und entsprechende Bemühungen der Hochschulen zu
fördern und
- eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel für psychosoziale
Beratungsstellen an deutschen Hochschulen sowie eine verstärkte politische
Auseinandersetzung mit den Ursachen psychischer Belastungen unter
Studenten.
Begründung
Bereits auf der Gruppenvorsitzendenkonferenz 2023 des RCDS in Bayreuth wurde mit
den beschlossenen Anträgen „Unterstützung bei psychischen Erkrankungen im
Studium: Strukturen stärken und ausbauen!“ und „Ruhetage im juristischen
Staatsexamen erhalten“ die psychische Gesundheit von Studenten in den Blick
genommen.[1] Mit ihrem Bezug auf die Schaffung spezifischer Stellen für
Psychiater und psychologische Psychotherapeuten an den Universitäten und die
psychische Gesundheit von Jurastudenten in der Staatsexamensphase boten diese
erste Ansätze zur Lösung einzelner Aspekte des Gesamtproblems. Im Folgenden
sollen diese Ansätze erweitert und in ein passendes ganzheitliches Gesamtkonzept
psychischer Gesundheit von Studenten eingefügt werden.
- Flächendeckende Umsetzung ganzheitlicher Hochschulischer
Gesundheitsmanagements
Wichtig ist im Zusammenhang einer Aufstockung der Gesundheitsbudgets, dass
finanzielle Mittel allein nicht ausreichen, um dem Problem prekärer werdender
studentischer Gesundheit zu begegnen. Es bedarf zusätzlich eines neuen
Gesamtkonzepts der Gewährleistung dieser, um eine effiziente Verwendung
finanzieller Mittel zu ermöglichen. Als ein solches wurde in jüngster Zeit das
„Hochschulische Gesundheitsmanagement" entwickelt.
„Unter Hochschulischem Gesundheitsmanagement (HGM) wird ein planmäßiges und
systematisches, beispielsweise dem Public Health Action Cycle (PHAC) folgendes,
strukturell verankertes Gesundheitsmanagement verstanden. Ein HGM verpflichtet
sich der Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung aller Mitglieder der
Organisation Hochschule. Es wird beiden Statusgruppen a) Beschäftigen und b)
Studierenden gerecht und verzahnt die Schnittstellen sowie die Wirkbeziehungen
der Zielgruppen miteinander. Darüber hinaus obliegt einem Hochschulischen
Gesundheitsmanagement der Aufbau und die stetige Weiterentwicklung
gesundheitsorientierter Rahmenbedingungen und Strukturen für ein gesundes
Studien- und Arbeitsumfeld in der gesamten Organisation Hochschule.“[2]
Das Hochschulische Gesundheitsmanagement (HGM) ist ein umfassendes Konzept zur
Förderung der Gesundheit an Hochschulen und Universitäten. Es verbindet
gesundheitsförderliche Maßnahmen mit bestehenden Strukturen des betrieblichen
(BGM) und studentischen Gesundheitsmanagements (SGM), um sowohl Studenten als
auch Beschäftigte nachhaltig zu unterstützen. Ziel ist es, Gesundheitsförderung
als festen Bestandteil der Hochschulkultur und der damit verbundenen Prozesse zu
etablieren und dadurch langfristig positive Effekte auf das Wohlbefinden, die
Studien- und Arbeitsbedingungen sowie die Leistungsfähigkeit aller
Hochschulangehörigen zu erzielen. Ein HGM dient der Entwicklung, Etablierung und
Evaluation der gesamten Gesundheitsstrategie einer Hochschule.[3]
Ein effektives Hochschulisches Gesundheitsmanagement geht über die
Bereitstellung klassischer Gesundheitsangebote hinaus. Es betrachtet die
Hochschule als einen Ort, an dem Gesundheit aktiv gefördert und erhalten werden
kann. Dies umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die darauf abzielen,
gesundheitsgerechte Rahmenbedingungen zu etablieren. Dazu gehören beispielsweise
eine ergonomische Gestaltung von Lern- und Arbeitsplätzen, die Förderung von
Bewegung und Sport sowie der Ausbau psychologischer Unterstützungsangebote zur
Stressbewältigung und mentalen Gesundheit.[4]
Ein solcher ganzheitlicher Ansatz bringt im Hinblick auf Bedarfsgerechtigkeit,
Kosteneffizienz und Transparenz verschiedene Vorteile mit sich.
Durch eine zielgruppenspezifische Maßnahmenpolitik gelingt es, alle relevanten
Stakeholder im hochschulischen Kontext gezielt zu erfassen. Dabei können etwa
Studenten, Hochschullehrer und andere Mitarbeiter nach ihren jeweiligen
Bedürfnissen adressiert werden. Dabei vermeidet der gesamtheitliche Ansatz
jedoch eine zu starre Kategorisierung verschiedener Maßnahmenkataloge, sondern
erlaubt flexible und bedarfsgerechte Ausgestaltungen spezifischer
Adressatengruppen und der jeweiligen Maßnahmenpakete.
Diese können regelmäßig evaluiert und neu bewertet werden, um dynamische
Entwicklungen zu erfassen.[5]
Diese Dynamik erlaubt nicht nur Bedarfsgerechtigkeit, sondern auch eine größere
Kosteneffizienz, da regelmäßige Neuevaluationen spezifischer Maßnahmen zu
Neubewertungen der mit diesen Maßnahmen verbundenen finanziellen
Kostenstrukturen führen kann. Ferner können durch einen flexiblen und
gesamtheitlichen Einsatz bedarfsgerechter Maßnahmen auch nichtfinanzielle
Ressourcen, etwa Expertenwissen und Arbeitsstunden zielgerichteter eingesetzt
werden. Zu dieser Flexibilität können ferner schnelle Kommunikationswege zur
Hochschulleitung beitragen. Ein solches Ausnutzen von Synergien fördert den
Abbau von Doppelstrukturen und Unter- sowie Überbeanspruchungen.[6]
Es zeigt sich bei der zunehmenden Etablierung eines HGM an deutschen
Hochschulen, dass das Konzept große Potenziale birgt. Die hochschulspezifische
Umsetzung von HGM erlaubt eine auf die jeweilige Sachlage angepasste
Umsetzungsstrategie. Nichtsdestoweniger stellen sich in diesem Zusammenhang
verschiedene Probleme dar. Fehlende finanzielle Eigenmittel der Hochschulen
haben bisher eine Anwendung außerhalb großer Hochschulen verhindert. Hinzu
kommt, dass die dabei weit verbreitete Zusammenarbeit mit Drittmittelgebern zu
einseitigen Abhängigkeiten führt. Auch erschweren die stark heterogenen
Auffassungen von HGM die Möglichkeiten effizienter Förderung, da diese zu
Intransparenz führen.[7]
Ein effektives Hochschulisches Gesundheitsmanagement ist eine lohnende
Investition. Es verbessert die Gesundheit, steigert den Studienerfolg und
fördert die soziale Integration. Psychische Erkrankungen, Bewegungsmangel und
Stress sind wachsende Herausforderungen. Ein durchdachtes Gesundheitsmanagement
zeigt, dass Hochschulen aktiv zur Lösung dieser Probleme beitragen, und steigert
ihre Attraktivität. Dies stärkt nicht nur die Hochschule selbst, sondern auch
das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung von Gesundheit. Gestärkt
wird auch Deutschland als Standort erstklassiger Lehre, Wissenschaft und
Forschung. Langfristig profitieren so Studenten, Hochschullehrer und die gesamte
Gesellschaft von den positiven Effekten.
Daher sei es Aufgabe der Länder, unter ihren jeweiligen Hochschulen die
Etablierung von HGM nach transparenten und einheitlichen Kriterien zu fördern,
die Transformation von BGM und SGM zu HGM zu unterstützen und dem
diesbezüglichen Wissensaustausch und der Zusammenarbeit einen Rahmen zu
verleihen. Ferner soll dies in einem angemessenen Maße bundesweit koordiniert
werden. Diese Maßnahmen seien darauf gerichtet, flächendeckend HGM an
Hochschulen im gesamten Bundesgebiet zu etablieren und diese effizient und
bedarfsgerecht zu fördern.
- Aufstockung der finanziellen Mittel für psychosoziale Beratung an
deutschen Hochschulen
Bereits 2018 zeigte eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und
Wissenschaftsforschung in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin und
der Techniker Krankenkasse, dass jeder vierte Student unter hohem Stress und
Erschöpfung leidet. Besonders betroffen waren dabei Studenten der Sprach- und
Kulturwissenschaften, von denen 22,5 % unter Angststörungen und 18,3 % unter
Depressionen litten.[8]
Studenten sehen sich heutzutage mit erheblichen psychischen Belastungen
konfrontiert, die ihre mentale Gesundheit beeinträchtigen können. Laut dem "TK
Gesundheitsreport 2023" der Techniker Krankenkasse fühlen sich 68 % der
befragten Studenten erschöpft durch Stress, und 63 % leiden unter Ängsten und
Sorgen. Besonders alarmierend ist, dass 37 % der Studenten angeben, sich
ziemlich oder sehr erschöpft zu fühlen, was als Warnsignal für ein drohendes
Burnout gewertet wird.[9]
Insgesamt ist der Anteil der Studenten mit studienerschwerenden Erkrankungen im
Zeitraum von 2016 bis 2021 angestiegen.[10] Prozentual schwerer wiegt der
Anstieg der psychischen Erkrankungen. Im Vergleich zum Jahr 2011 leiden im Jahr
2021 65% der Studenten mit studienerschwerenden Beeinträchtigungen an
psychischen Erkrankungen. 2011 lag der Anteil der psychischen Erkrankungen noch
bei 45%.[11]
Die gestiegenen psychischen Belastungen bei Studenten lassen sich auf mehrere
Faktoren zurückführen:
- Leistungsdruck und Prüfungsstress: Studenten sehen sich häufig mit hohen
Anforderungen und engen Zeitplänen konfrontiert, was zu Stress und
Erschöpfung führen kann.[12]
- Finanzielle Unsicherheiten: Viele Studenten müssen neben dem Studium
arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, was zu einer
Mehrfachbelastung führt.[13]
- Zukunftsängste: Unsicherheiten bezüglich der beruflichen Perspektiven nach
dem Studium können zusätzliche psychische Belastungen verursachen.[14]
- Soziale Isolation: Besonders internationale Studenten sind während der
COVID-19- Pandemie von Einsamkeit, Depressionen und Stress betroffen, da
sie von ihrem sozialen Umfeld getrennt sind.[15]
- Einfluss sozialer Medien: Die intensive Nutzung sozialer Medien kann zu
erhöhtem Stress und negativen Emotionen führen, insbesondere wenn sie zur
Ablenkung von Studienverpflichtungen genutzt werden.[16]
Als ein weiterer Faktor lässt sich der angespannte Wohnungsmarkt in vielen
deutschen Städten anführen. Dieser hat erhebliche Auswirkungen auf die
psychische Gesundheit von Studenten. Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum
gestaltet sich zunehmend schwierig, was zu erhöhtem Stress und Unsicherheit
führt. In Deutschland fehlen mehr als 1,9 Millionen Wohnungen, was zu einer
Belastung von vor allem einkommensschwachen Gruppen, unter die auch Studenten
fallen, führt.[17]
In einem Gespräch mit zwei Mitarbeitern einer psychosozialen Beratungsstelle
werden die oben genannten Faktoren bestätigt. Laut den Mitarbeitern seien zu
wenig Psychotherapieplätze, eine mangelhafte psychische Beratung von
ausländischen Studenten aufgrund finanzieller und personeller Hürden sowie der
knappe Wohnraum in deutschen Universitätsstädten als die drängendsten Probleme
zu identifizieren.
Angesichts der alarmierenden Zunahme psychischer Erkrankungen unter Studenten
ist eine nachhaltige Verbesserung der psychosozialen Beratungsangebote an
deutschen Hochschulen unumgänglich. Dies erweitert die bereits vorhandene
Beschlusslage zur Bereitstellung spezifischer Stellen für Psychiater und
psychologische Psychotherapeuten an den Universitäten um die Forderung nach
einer verbesserten Bereitstellung und finanziellen Ausstattung psychosozialer
Beratungsangebote. Um die wachsende Zahl an Beratungsfällen bewältigen zu
können, bedarf es mithin einer signifikanten Erhöhung der finanziellen Mittel
für diese Einrichtungen. Neben der Stärkung der Beratungsstrukturen müssen
jedoch auch die zugrunde liegenden Ursachen psychischer Erkrankungen konsequent
bekämpft werden. Insbesondere der Abbau des Wohnungsmangels ist essenziell, um
die psychische Belastung der Studenten zu reduzieren.
[1] Vgl. Beschlussmappe der Gruppenvorsitzendenkonferenz 21.04.2023 – 23.04.2023
in Bayreuth
[2] Preuß, M., Sprenger, M., Müller, J., Preuß, P. (2022):
Entwicklungspotentiale und Möglichkeiten eines Hochschulischen
Gesundheitsmanagements. In: Handbuch Studentisches Gesundheitsmanagement, S. 91-
102.
[3] Vgl. Dölle, A., König, S., Paeck, T., Pawellek, A., Steinke, B. (2025):
Entwicklungen zum Hochschulischen Gesundheitsmanagement. In: DUZ Special -
Hochschulisches Gesundheitsmanagement, S.4-11.
[4] Kompetenzzentrum Gesundheitsfördernde Hochschule (2025). Auf dem Weg zu
einem ganzheitlichen Gesundheitsmanagement. Verfügbar unter:
https://www.kompetenzzentrum-gesunde-hochschulen.de/hochschulisches-
gesundheitsmanagement#Quellen-HGM
[5] Vgl. Kahlweiß, J., (2025): Expertise effizient miteinander vernetzen. In:
DUZ Special - Hochschulisches Gesundheitsmanagement, S.14f.
[6] Kompetenzzentrum Gesundheitsfördernde Hochschule (2025). Auf dem Weg zu
einem ganzheitlichen Gesundheitsmanagement. Verfügbar unter:
https://www.kompetenzzentrum-gesunde-hochschulen.de/hochschulisches-
gesundheitsmanagement#Quellen-HGM
[7] Vgl. Paulsen, L., (2025): Förderfaktoren und Barrieren. In: DUZ Special -
Hochschulisches Gesundheitsmanagement, S.28f.
[8] Freie Universität Berlin (2018). Studie: Jeder vierte Studierende leidet
unter starkem Stress / besonders Sprach- und Kulturwissenschaftler sind
psychisch belastet. Nr. 267/2018. Verfügbar unter: https://www.fu-
berlin.de/presse/informationen/fup/2018/fup_18_267-studie-gesundheit-
studierender/index.html.
[9] Flachsenberg, H. (2023). Wie schlecht es Studierenden in Deutschland
wirklich geht. Erschienen auf: spiegel.de. Verfügbar unter:
https://www.spiegel.de/start/psychische-belastung-von-studierenden-tk-
gesundheitsreport-zeigt-hohen-stress-und-erschoepfung-a-3c5ff35a-c479-432f-b8d6-
20d2bd45eeb8.
[10] Deutsches Studierendenwerk (2023). Viel mehr Studierende mit psychischen
Erkrankungen. Verfügbar unter: https://www.studierendenwerke.de/beitrag/viel-
mehr-studierende-mit-psychischen-erkrankungen.
[11] Steinkühler, J. et al. (2021). Die Studierendenbefragung in Deutschland:
best3. Berlin 2023: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.
S.24. Verfügbar unter:
https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/beeintraech-
tigt_studieren_2021.pdf.
[12] Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (2018), Studie:
Jeder vierte Studierende leidet unter starkem Stress - besonders Sprach- und
Kulturwissenschaftler sind psychisch belastet. Verfügbar unter:
https://www.dzhw.eu/services/material/pressemitteilungen/PM_Gesundheit_Studieren-
der.pdf.
[13] Flachsenberg, H., siehe Fn.1.
[14] Freie Universität Berlin, siehe Fn. 1.
[15] Misirlis, N. Zwaan, M. Weber, D. (2020). International students'
loneliness, depression and stress levels in COVID-19 crisis. The role of social
media and the host university. Cornell Universiy. Verfügbar unter:
https://arxiv.org/abs/2005.12806.
[16] Thukral, S. Sangwan, S. Chatterjee, A. Dey, L. (2020). Identifying
pandemic-related stress factors from social-media posts -- effects on students
and young-adults. Cornell University Verfügbar unter:
https://arxiv.org/abs/2012.00333.
[17] Hans Böckler Stiftung. (2022). Auf einen Blick. Wohnungsnot in Großstädten
(Pressemeldung, aktualisiert am 14.12.2022). Düsseldorf. Verfügbar unter:
https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-20782.htm.
Änderungsanträge
- Globalalternative: Ä1 (Antragssteller (Politischer Beirat), Eingereicht)