| Veranstaltung: | RCDS |
|---|---|
| Antragsteller*in: | Politischer Beirat (dort beschlossen am: 25.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Angenommen) |
| Antragshistorie: | Version 2 |
H2: Fachkräfteausbildung sichern – Lehre in den Ingenieurs- und Informatikstudiengängen aktualisieren
Antragstext
Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten fordert die Kultusministerkonferenz
(KMK) auf, eine bundesweite Pilotlinie zur agilen Curriculumentwicklung in den
MINT-Studiengängen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)
auszuarbeiten und einzuführen.
Konkret umfasst dies:
Einführung kurzfristiger und hochfrequenter iterativer Entwicklungszyklen
(Plan, Do, Review, Retrospektive), die es ermöglichen, Module und
Studiengänge in deutlich kürzeren Abständen als bisher zu überprüfen und
anzupassen, unter kontinuierlicher Einbeziehung aller relevanten Akteure,
insbesondere auch der Industrie sowie der Studenten und Hochschullehrern.
Statt eines großen Reformschrittes alle paar Jahre sollen ausgewählte
Teile des Curriculums kontinuierlich anhand der aktuellen Entwicklung
weiterentwickelt werden. Ziel soll es sein einen Ausgleich zwischen
Beschäftigungsfähigkeit und Bildung herzustellen, indem sowohl klassisch
verwaltete als auch agile Module gelehrt werden. Lehrinhalte werden in
kleinen Schritten aktualisiert, Pilotmodule erprobt und nach Feedback
rasch angepasst.
Verbindliche Integration von Zukunftstechnologien in Pflicht- und
Wahlpflichtmodule, um Studiengänge kontinuierlich an technologische
Entwicklungen und gesellschaftliche Bedarfe anzupassen. Damit soll eine
strukturelle Offenheit der Curricula für kontinuierlich neue
technologische Entwicklungen erzielt werden. Dazu zählen insbesondere,
aber nicht ausschließlich, Bereiche wie Künstliche Intelligenz, Data
Science, Cloud-Computing, Cybersecurity und Robotik.
Begründung
i) Notwendigkeit iterativer Anpassungszyklen
Die Überarbeitung von Studiengängen und Modulen läuft derzeit meist nach
klassischen, langfristigen Zyklen ab. Studiengänge werden zu Beginn intern und
gegebenenfalls extern konzipiert und alle fünf bis sieben Jahre formell
reakkreditiert, heute in vielen Bundesländern im Rahmen der
Systemakkreditierung. Dabei durchläuft das Curriculum einen festgelegten
Prozess: Ein Arbeitskreis oder Studiengangsleitung erarbeitet ein Reformkonzept.
Dieses durchläuft Gremien der Hochschule wie Studienkommission, Fakultätsrat,
Senat sowie gegebenenfalls Qualitätssicherungsinstanzen. Studentenvertretung und
Hochschullehrer sind in den Gremien gesetzlich vertreten, externe
Branchenpartner oder Alumni werden meist punktuell als Gutachter oder Beiräte
hinzugezogen. Entscheidend sind formale Anforderungen wie ECTS-Umfang,
Regelstudienzeit und Qualifikationsziele nach den Vorgaben von KMK und
Akkreditierungsrat1.
Das Resultat ist ein eher statisches Studienangebot, das während der
Akkreditierungsphase kaum verändert wird und damit der Dynamik technologischer
Entwicklungen kaum gerecht wird. Morisse (2025) weist darauf hin, dass das
deutsche Akkreditierungssystem in Zeiten generativer KI an seine Grenzen stößt
und agilere Formen der Qualitätssicherung erforderlich sind2. Forschung zeigt,
dass agile Methoden mit kurzen Zyklen und regelmäßigen Retrospektiven eine
deutlich schnellere Evaluierung und Anpassung von Studieninhalten ermöglichen3.
Damit diese Zyklen Wirkung entfalten, müssen alle entscheidenden Player
frühzeitig eingebunden werden. Neben Hochschullehrern und Studenten gilt dies
besonders für die Industrie, die am unmittelbarsten die Veränderungen im
Kompetenzbedarf spürt. Studien aus der ingenieurwissenschaftlichen Lehre zeigen,
dass agile Formate nicht nur den Lernprozess verbessern, sondern auch die
Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Praxis erleichtern können4.
Durch die aktive Mitwirkung der Industrie können Trends wie neue
Programmiersprachen, KI-Anwendungen oder Sicherheitsstandards zeitnah in den
Curricula verankert werden. Gleichzeitig gewährleistet die Einbeziehung von
Studenten, dass Innovationen nicht an deren Lernrealität vorbeigehen.
Kurzfristige, hochfrequente Entwicklungszyklen mit breiter Stakeholder-
Beteiligung sichern so Aktualität, Praxisnähe und Akzeptanz der Studiengänge.
Es stellt sich allerdings gleichzeitig die Frage, wie sinnvoll es in einer in
Transformation befindlichen Gesellschaft ist, langfristige Konzepte, wie
Curricula, am aktuellen Planungsbedarf auszurichten, wenn gleichzeitig Prognosen
existieren, die diesen Planungsbedarf radikal in Frage stellen5. Bildung bleibt
zentral, weil sie Orientierung, Kritikfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung
sichert. Gleichzeitig braucht es praxisnahe Kompetenzen, die unmittelbare
Beschäftigungsfähigkeit gewährleisten. Curricula müssen daher Bildung und
Beschäftigungsfähigkeit als gleichwertige Zielperspektiven verbinden.
ii) Integration zukunftsrelevanter Inhalte
Die digitale Transformation erfordert, dass Hochschulen ihre Studiengänge
dynamisch aufkommenden Zukunftstechnologien anpassen. Hierzu zählen einerseits
bereits etablierte Schlüsselbereiche wie Künstliche Intelligenz, Data Science,
Cloud-Computing, Cybersecurity und Robotik. Andererseits müssen Curricula
flexibel genug sein, auch neue Technologien wie Generative KI, Quantum Computing
oder nachhaltige Digitalisierung zeitnah einzubinden. Erfolgreiche Modelle
zeigen, dass eine modulare Integration neuer Technologien, etwa von Big-Data-
und Cloud-Inhalten in mehrere Kernveranstaltungen, besonders wirksam ist6.
Ebenso wurde in ingenieurwissenschaftlichen Programmen die Aufnahme von Data-
Science- und KI-Kompetenzen als notwendig identifiziert, um die
Beschäftigungsfähigkeit zu sichern7. Cybersecurity wiederum ist durch neue
Akkreditierungsrichtlinien bereits verpflichtend geworden und zeigt
exemplarisch, wie regulatorischer Druck Innovation in die Curricula bringt8.
Damit wird deutlich: Wichtig ist nicht allein, die derzeit bekannten
Zukunftsfelder stärker einzubinden, sondern eine strukturelle Offenheit der
Curricula für kontinuierlich neue technologische Entwicklungen zu schaffen. Nur
so können Informatik- und Ingenieurstudiengänge gewährleisten, dass ihre
Absolventen auch langfristig mit den Kompetenzen ausgestattet sind, die in einer
sich rasant wandelnden Arbeitswelt benötigt werden.
iii) Besondere Dringlichkeit für deutsche Informatik- und Ingenieurstudiengänge
Die Halbwertszeit von technischem Wissen in den Ingenieur- und IT-Disziplinen
beträgt oft wenige Jahre, mithin ist ein Großteil des während des Studiums
Erlernten bis zum Berufseinstieg bereits veraltet9. Studiengänge, die nicht
regelmäßig modernisiert werden, riskieren, Absolventen mit überholten
Kompetenzen in den Arbeitsmarkt zu entlassen. Gerade Fachhochschulen und
praxisorientierte Programme sind hier gefordert, um den Fachkräftemangel zu
adressieren.
Für Deutschland ergibt sich daraus eine besondere Dringlichkeit. Das Land ist in
hohem Maße von Ingenieurwesen, Automatisierung und industrieller Wertschöpfung
abhängig, und Zukunftstechnologien wie KI, Robotik und Cloud-Infrastrukturen
sind Schlüssel für den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Der
demographische Wandel verschärft den Fachkräftemangel in Deutschland: Schon
heute fehlen zehntausende IT- und Ingenieursfachkräfte, und die Tendenz ist
steigend10. Wenn Hochschulen nicht schnell genug auf neue Kompetenzanforderungen
reagieren, vergrößern sich diese Lücken weiter. Das duale Hochschulsystem mit
Universitäten und Fachhochschulen ist ein Vorteil, verlangt aber auch, dass
gerade praxisnahe Studiengänge kontinuierlich auf industrielle Bedarfe
reagieren. Andernfalls droht eine Entkopplung zwischen Ausbildungsinhalten und
Arbeitsmarktanforderungen11.
Deutsche Hochschulen sind durch stark regulierte Akkreditierungs- und
Prüfungsordnungen oft weniger agil als internationale Wettbewerber. Ohne
gezielte Pilotklauseln und agile Entwicklungsprozesse besteht die Gefahr, im
Vergleich zu Hochschulen etwa in den USA oder dem europäischen Ausland ins
Hintertreffen zu geraten12. Deutschland ist vielfach noch ein analoges Land in
einer digitalen Welt, was Innovationsfähigkeit und Talentpipeline weiter
einschränkt13. Ohne gezielte Ausbildung und experimentelle Freiräume besteht die
Gefahr, dauerhaft ins Hintertreffen zu geraten, mit Folgen für
Wettbewerbsfähigkeit, Fachkräfteversorgung und technologische Souveränität.
1 Stiftung Akkreditierungsrat,
https://akkreditierungsrat.de/de/akkreditierungssystem/systemakkreditierung/syst-
emakkreditierung, zuletzt abgerufen am 26.09.2025.
2 Morisse, K., Akkreditierung in Zeiten generativer KI: Herausforderungen und
Chancen in einer dynamischen Welt, Hochschulforum Digitalisierung (HFD), 2025.
3 Bohler, J./Larson, B./Davis, C./Krishnamoorthy, A./Locke, J., Using Agile
Methods for Course and Curriculum Development in Higher Education, in: ISCAP
Conference Proceedings, 2024, S. 7 f.
4 Owen, J./Wasiuk, C., An Agile Approach to Co-Creation of the Curriculum, in:
International Journal for Students as Partners 5 (2021) 2, S. 6 f.
5 Michel, A./Baumgartner, P./Brei, C./Bullinger-Hoffmann, A. C./Gerdes,
A./Hesse, F. W./Kuhn, S./Lohse, A./Pohlenz, P./Quade, S./Seidl, T./Spinath, B.,
Framework zur Entwicklung von Curricula im Zeitalter der digitalen
Transformation. 9,5 Thesen zum Curriculum 4.0, Diskussionspapier Nr. 01, Mai
2018, Hochschulforum Digitalisierung, Berlin, S. 5.
6 Deb, D./Fuad, M., Integrating Big Data and Cloud Computing Topics into the
Computing Curricula: A Modular Approach, in: Journal of Parallel and Distributed
Computing 152 (2021), S. 313.
7 Sarp, S./Kuzlu, M./Popescu, O./Jovanovic, V.M./Acar, Z., Development of a Data
Science Curriculum for an Engineering Technology Program, in: ASEE Annual
Conference & Exposition, Paper ID#40007, 2023, S. 3 f.
8 Wu, Z./Lee, C./Ventura-Medina, E., Integrating Cybersecurity into the Chemical
Engineering Curriculum, in: The Chemical Engineer (Education Feature), 2024.
9 Paynter, N./Mishra, M./Kreit, B./Mahto, M./Cantrell, S./Mahoutchian, T./Shact,
L./Vert, G./Kilgour, C./Bodan, M./Skirvin, C., Navigating the tech talent
shortage, Deloitte Center for Integrated Research, New York, 2024.
10 VDI / Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Ingenieurmonitor 2024/I –
Massiver Fachkräftemangel in den Ingenieur- und Informatikberufen,
Düsseldorf/Köln 2024.
11 Boué, T., Germany’s Digital Future: Will It Lead or Lag?, in: BSA TechPost,
19. Februar 2025.
12 Anger, C./Betz, J./Plünnecke, A., Die Aufgaben der Hochschulen im
Transformationsprozess, Gutachten für die Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V., Köln, 2023, S. 34
f.
13 Elliott, L., The German problem? It’s an analogue country in a digital world,
in: The Guardian, 1. September 2024.
